Psychotherapieplatzmangel tötet!

Ich haber schonmal darüber geschrieben, wie wichtig für viele Menschen Psychotherapie ist bzw. sein kann … wenn es denn genug Plätze gäbe. Denn Therapeuten gäbe es in diesem Land genug. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist …

Anmerkung: Vieles von dem was ich im kommenden Abschnitt schreibe, wurde von Jan Böhmermann und seinem Team recherchiert und ich möchte dies einfach noch einmal grob wiedergeben, um ein Rundumbild zu erzeugen.

Der G-BA

G-BA steht für den gemeinsamen Bundesausschuss. Dieser entscheidet darüber, was durch Krankenkassen abgedeckt ist und welche Leistungen in welcher Menge für Kassenpatienten zur Verfügung stehen. Dabei ist es irrelevant, um was für Leistungen es geht.
Bleiben wir aber mal beim Thema Psychotherapie: Experten im Bereich Psychologie haben gesagt, dass es rund 7000 Kassensitze geben müsste, um eine entsprechende Abdeckung für Psychotherapie gewährleisten können.

Vom G-BA beauftragte Studien haben ergeben, dass rund 3000 Plätze ausreichen würden. Der Vorstand Prof. Josef Hecken hat dann selbst noch einmal … nennen wir es überschlagen, dass etwas über 700 Kassensitze ausreichend sind, und dies auch so durchgesetzt.
Kurz zur Erläuterung: Ein Kassensitz ist quasi ein Psychotherapeut, der über die Krankenkassen abrechnen darf. Grob und übertrieben bedeutet dass, wenn ein Sitz frei wird, weil z. B. ein Therapeut aufhört zu arbeiten, bewerben sich hunderte Therapeuten auf diesen Sitz. Und aktuell sind es etwas über 700 Sitze … FÜR GANZ DEUTSCHLAND! 700 Auf hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen Menschen, die eine Therapie wünschen oder sogar dringend benötigen.

Ich möchte hier einfach mal ganz sachlich die Frage in den Raum schmeißen: Wer hat diesen “Entscheidern” bitte ins Hirn geschissen? Also ernsthaft! Was soll das bitte bringen? Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Vor allem ist das Gremium des G-BA seltsam besetzt. Ich zitiere hier einmal von der Website des Bundesgesundheitsministerium.de

“Ihr wichtigstes Organ ist der Gemeinsame Bundesausschuss ( G-BA ). Er besteht aus drei unparteiischen Mitgliedern sowie aus Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsärzteschaft, der Vertragszahnärzteschaft, der gesetzlichen Krankenkassen und der Krankenhäuser.”

Die Mehrheit in diesem Gremium besteht aus Vertretern der Krankenkassen, die natürlich sehr darauf achten, dass sie nicht zu viele Leistungen über die Kassen abrechenbar machen.
Es könnte ja passieren, dass von den Milliarden, die sie jährlich einnehmen, eine Million zu wenig reinkommt. Und ja ich weiß, dass die Krankenkassen in den letzten Jahren auch Defizite haben (also rote Zahlen schrieben) aber wenn ich mir die Gehälter der Krankenkassen Vorstände anschaue, die sich von 13.507,15 € (keine Krankenkassen oder Zweige größerer Kassen) bis über 381.249,14 € Pro Jahr erstrecken (Quelle: Krankenkassen.de), ist es kein Wunder dass man bei den Patienten sparen möchte.

Mal abgesehen davon, dass man ja Investoren etc. auch noch zufriedenstellen möchte, die sicher auch gut an den Milliarden mitverdienen. Immer wieder ist der Aufschrei groß, dass unsere Krankassen nicht genug tun. Selbst wichtige Behandlungen, die das Leben einschränken, wie zum Beispiel eine Zystektomie im Oberkiefer, ohne die ein Leben echt mies wäre, weil jeder Biss unendliche Schmerzen sind, werden nicht von Krankenkassen übernommen.
Und die Krankenkassen argumentieren immer wieder damit, dass wir es in Deutschland ja gut haben und man am besten hier krank wird. Zum Teil ist die Aussage auch richtig. Aber sollte unser Ziel nicht sein, eine wirkliche Rundumversorgung zu gewährleisten, ohne das sich die oberen 1 % die Taschen noch voller machen?

So ich bin jetzt sehr abgeschweift. Der G-BA sollte ausgewogen sein. Keine Partei sollte in der Überzahl sein und vor allem sollte keiner der Parteien gewinnorientiert handeln innerhalb und außerhalb des Gremiums. Selbst die Psychotherapieverbände weisen immer wieder darauf hin, dass wir mehr Kassensitze benötigen und das mit Dringlichkeit.
Und wenn das nicht passiert, kommen ….

Die Konsequenzen

Ich habe mir mal angeschaut, wie viele Suizide es in 2021 gab. Für 2022 und bisher 2023 habe ich leider keine Zahlen finden können und zu tief wollte ich nicht da reinsteigen.

Insgesamt gab es 2021 9215 Suizide. Die meisten davon im Alter zwischen 55 und 59 insgesamt. Die meisten Suizide nach Geschlechtern fallen bei beiden Geschlechtern ebenfalls in diese Spalte.
Generell aber werden die meisten Suizide von Männern begangen. 2021 sind es 73,85 % gewesen. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Natürlich sind rund 9200 Suizide im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung wenig, aber dennoch wage ich die Vermutung, dass mind. 50 % dieser Taten hätten vermieden werden können.
Männer tun sich statistisch gesehen generell schwerer eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Dies berichten auch diverse Zeitungen wie Springer *schüttelt sich*, Welt, und auch Apotheken und Ärzteblätter.

Die Gründe sind vielfältig. Einer der Hauptgründe ist, dass Therapie für viele immer noch ein Tabuthema ist. Hier fehlt die Aufklärung, auch durch die Krankenkassen. Aber warum aufklären? Schmälert ja den Gewinn.
Zu den o. g. Zahlen möchte ich noch die Vermutung aufstellen, dass Psychotherapie vielen von den Menschen, gerade zu Corona, geholfen hätte, die dunklen Gedanken ein wenig zu erhellen. Doch die Konsequenzen der Entscheidungen des G-BA sind … naja… tödlich.

Aktuell bestehen Wartelisten, je nach Region, von 6 Monaten bis hin zu mehreren Jahren, weil alle kassenärztlichen Therapeuten maßlos überbucht sind. Selbst viele Diagnostiker, vielleicht erinnert ihr euch, haben gesperrte Wartelisten und manche nehmen Notfallmäßig nur neue Diagnosepatienten an, wenn ein spürbarer Leidensdruck besteht.
Und dann ist es auch nur für die Diagnostik. Alles darüber hinaus, weisen sie von sich, weil sie halt auch nicht anders können. Daher No offense zu diesen Diagnostikern.

Auch No offense gegenüber die Therapeuten selbst. Viele wollen mehr tun, können aber nicht, weil sie selbst schon Oberlippe Unterkante in Arbeit stecken. Und viele Therapeuten, die nur privat arbeiten, wollen ebenfalls mehr Menschen helfen, dürfen aber nicht, weil sie keinen Kassensitz innehaben.
Jeder Tag auf allen Wartelisten und jede Absage gegenüber potentiellen Patienten sorgen dafür, dass sich die Gedanken der Betroffenen mit jedem Tag und jeder Woche weiter verfinstern. Das Reden mit Freunden reicht für sie oft nicht aus.

Viele psychologische Erkrankungen erfordern auch Medikamente, wo wieder der Teufelskreis beginnt: Kein Therapeut > keine Empfehlung für Medikamente > kein Psychiater, weil er meist nicht ohne Empfehlung arbeitet > keine Medikamente > keine Besserung > kein Therapeut …. und so weiter.
Es ist ein aktuell kaum zu durchbrechender Kreislauf. Selbst an Kurzzeittherapien ist aktuell nicht zu kommen.

Diese Lage sorgt dafür, dass viele Menschen sich hilflos fühlen oder sogar den Eindruck erhalten, dass man ihnen nicht helfen kann oder will. Dies führt oftmals unweigerlich dazu, dass Menschen verzweifeln. Die Gedanken werden düster und sie greifen zum letzten Mittel. DANN. Hätten sie tatsächlich die Chance auf einen klinischen Platz, weil Gefahr im Verzug ist. Aber muss es so weit kommen?

NEIN!

Wenn der G-BA vernünftig aufgestellt wäre, und nicht nach Profit gieren würde, zumindest ein Teil dieses Gremiums, würden sich für viele Menschen neue Perspektiven ergeben. Denn das kann auch zu einem unangenehmen Ende führen: mangelnde Perspektive. Oft benötigt es an dieser Stelle professionelle Gesprächsmethoden, um verzweifelten Menschen Perspektiven aufzuzeigen.
Und das geht nur mit ausreichenden Therapieplätzen. Ich erinnere noch einmal daran: Wir haben genug Therapeuten. Aber nicht genug Kasssensitze.

Was können wir tun? Wenn ihr betroffen seid, oder betroffenen helfen wollt, achtet bei der nächsten Sozialwahl (Die nächste leider erst 2029), auf das, was ihr wählt. Schreibt Briefe an den B-GA und macht nachdrücklich, wie wichtig dieses Thema in unserer Gesellschaft ist und noch werden wird.
Die Postadresse des B-GA ist:

Gemeinsamer Bundesausschuss
Postfach 120606
10596 Berlin

Redet mit Freunden und Familien drüber, wie wichtig Kassensitze sind. Jeder Kassensitz und potentiell ein Suizid weniger, der aus Verzweiflung begangen wird. Jeder Kasssensitz ist ein Licht in der Dunkelheit vieler Menschen. Psychotherapie kann Leben retten. Wenn es genug Kassensitze gibt. Der Rest liegt anschließend in den Händen der Betroffenen.

Mehr Kassensitze in Deutschland. Denn fehlende Psychotherapieplätze sind tödlich!

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1 Kommentar zu „Psychotherapieplatzmangel tötet!“

  1. Lieber Gerry gkuHug

    das ist wieder ein toller und wichtiger Beitrag, danke für deine Arbeit die Infos zusammenzuschreiben. Ich werd mich die Tage direkt mal an einen Brief setzen und an den G-Ba schicken. gkuNotice

    bis denn dann

    Suri gkuComfy

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