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Ich las im Bus gerade mein neues Buch. Sehr interessant. Vielleicht erzähle ich euch davon, wenn ich es in fünf Jahren durch habe.
Sei‘s drum. Jedenfalls wurde ich von einem Dialog von zwei Jugendlichen unterbrochen. Lassen wir sie mal dreizehn, oder vielleicht vierzehn, gewesen sein. Dieser Dialog ging wie folgt.
„Komm, wir machen das als Tik Tok. Wir fragen einen dicken Menschen, ob er gerne Döner isst. Wenn er ‚ja‘ sagt, gehen wir weiter und sagen ‚sieht man‘.“
„Meinst du?“
„Ja man. Das gibt voll viele Klicks. Hab ich bei wen anderes gesehen.“
Zu meinem Bedauern habe nur ich das mitbekommen. Und es macht mich sehr, sehr wütend. Und traurig. Von Youtube bin ich ja schon vieles gewohnt. Allerdings hab ich das nie selbst geschaut. Zumindest nicht bewusst. Aber ich weiß dennoch, was da abgeht. Mir war nur nicht bewusst, dass Tik Tok auch schon diese Subkultur der Diskriminierung erreicht hat. Vor allem, weil teile meines Rudels sehr begeistert von dieser Plattform ist.
Das die in China ansässige Firma regimekritische Inhalte löscht und blockiert, werde ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Dessen bin ich mir bewusst. Vielleicht auch ein Grund, warum ich nicht viel von der Plattform halte. Aber warum ist diese Plattform bei solchen Dingen nicht auch so flott? Nein. Stattdessen geht das so langsam, dass junge Menschen dies sehen und es sich zur Aufgabe machen, dem nachzueifern.
Zudem ist dies ein wunderbarer Spiegel unserer Gesellschaft. Unsere Gesellschaft ist darauf geprägt, schlank oder muskulös zu sein. Dicke Menschen gelten nicht als schön. Und es kotzt mich an, dass geduldet wird, dass die Jugend so etwas tut. Ich gehöre auch eher zu den pummeligen Menschen und ich fühle mich weitestgehend wohl so, wie ich nun mal bin. Und so werde ich auch geliebt.
Ich kenne viele Menschen, die übergewichtig sind. Und bis auf wenige Ausnahmen sind es die wundervollsten Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin.
Ich weiß, dass dieser Blog vermutlich nichts bewirken wird. Und es wird sicher die Frage kommen „Warum hast du nichts gesagt?“. Klar hätte ich was sagen können. Aber es sind Kinder gewesen. Die wissen es nicht besser. Und hätte ich was gesagt, wär ich beleidigend gewesen und die anderen Busmitfahrer wären sicher nicht amused gewesen, wenn ein über dreißig jähriger Mann Kinder zusammenstaucht.
Ich wünschte mir, dass wir Menschen so akzeptieren, wie sie sind. Dick. Dünn. Krank. Gesund. Eingeschränkt. „Normal“. Schwul. Hetero. Trans. Non-Binary. Jüdisch. Afrikanisch. Chinesisch… Ich könnte ewig so weiter machen. Nur Arschlöcher zähle ich nicht dazu. Das ist etwas, worauf man Einfluss hat. Kein Arschloch zu sein.
Ich schreibe wieder so viel ohne Inhalt. Meiner Meinung nach. Aber seid nicht wie ich. Wenn ihr sowas seht oder hört, redet mit den Menschen. Im freundlichen Ton. Versucht, ihnen zu erklären, wie verletzend es wäre, wenn die Personen die es betrifft, das rausfände. Wie sehr das weh tut.
Und an die die sowas tun: Hört auf, Arschlöcher zu sein. Es gibt Menschen, ob ihr es glaubt oder nicht, die nicht mal etwas dafür können, dass sie sind, wie sie sind. Seht sie als Menschen. Nicht als Objekt, welches man beschämen muss, nur weil es nicht der allgemeinen Definition von „schön“ oder „normal“ entspricht.
Sei kein Arschloch. Sei etwas, worauf du am Ende deines Lebens stolz sein kannst. Versuche, so zu leben, dass du am Ende nichts bereust.
Gerry